Unser Erster Post in diesem Jahr ist ein Poetry-Slam Beitrag von Meryem Polat.
Meryem, welche Sprachen sprichst du eigentlich? Ja, also Deutsch, Türkisch, Englisch. Noch ein bisschen Restfranzösisch aus dem ersten Semester, das ich danach abgebrochen habe. Bissle Arabisch. Ya3ni shufi mafi undso. Und ein wenig Kurdisch. Leider nur ein wenig. Obwohl das meine Muttersprache ist. Meine Eltern brachten sie mir nicht bei. Aus vielen Gründen. Assimilationsversuche in der Türkei, die Furcht davor, dass mich zu viele Sprachen verwirren und in diesem Land eher ein Nach- als ein Vorteil für mich sein könnten. Ich weiß es nicht. Ich glaube, sie wissen es selber nicht so genau.
Die erste Sprache meines Vaters -die Sprache seiner Kindheit- war Kurdisch; kurmancî, um genau zu sein. Wenn ich mit ihm spreche, merke ich ihm ohne Zweifel an, dass er seine Herkunft kennt und diese auch noch sehr zu schätzen weiß. Er schreibt viel. Liest viel. Er weiß viel über seine Geschichte und redet bedacht über sein Wissen. Eine Eigenschaft, die ich an ihm sehr schätze. Er beeindruckt mich, denn er scheint zu wissen wer er ist und noch dazu ist seine Muttersprache kein Dickicht aus Liebe und Hass, durch das er sich kämpfen muss, denn ihre Existenz gleitet wie selbstverständlich über seine Lippen. Er besitzt eine Authentizität, die ich an mir nicht sehe und nicht fühle. Ich komme mir oft verloren vor im Meer aus „Woher kommst du?,“ „Was sprichst du?“ und „Wieso kannst du kein Kurdisch?“, wenn mich meine Verwandten fragen auf all den Türkeibesuchen. Und ich möchte an dieser Stelle keinen Neid zum Ausdruck bringen, sondern die Sehnsucht, die sich in mir weckt, wenn ich jemanden wie meinen Vater sehe. Denn das werde ich niemals erfahren. Die Einfachheit des Sprechens wie die Generationen vor mir es lange taten. Ich lerne von ihm viel über unsere Herkunft. Oft schäme ich mich, wenn ich etwas nicht weiß, das für ihn selbstverständlich ist und dann hebt er an, um mir in seiner Weisheit die kleinsten Winkel von einem Gefühl zu beschreiben, das ich niemals zu spüren bekam. Aber so ist das wohl. So ist das wohl, wenn wir Kinder der Diaspora immer wieder aufs Neue daran erinnert werden, kein Heim zu haben, keine Sprache, die all unser Durcheinander ausdrückt, das ich oft in den Tiefen meines Verstandes spüre.
Ich werde mich trotzdem bemühen diesen Teil des Kampfes auszutragen, um am Ende meinen Wurzeln ein Stück näher zu sein und den wiederkehrenden Gedanken der Unmöglichkeit ein für alle mal zu ersticken. Ich werde trotzdem auf den Tag warten, an dem mein Großvater nicht den Übersetzer spielen muss, wenn meine Großmutter mir von der Vergangenheit erzählt. Und irgendwann, ja irgendwann, wenn ich mich in Gedankenfesten wiederfinde, werden Wörter mir in den Schoss fallen, die nicht Deutsch sein werden. Sondern Wörter, die den Geschmack des Dorfes, in dem mein Vater aufwuchs, in sich tragen, die nach Dut und Qultik schmecken und sich in meinen Hals setzten, als ich dort letzten Sommer stand. Ich bin voller Hoffnung diesen Zustand eines Tages zu erreichen.
Der scheint mir aber so unglaublich fern.
(Mereyem Polat)
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